Vernunft

20 Dinge, die leichter sind als Vierjährige zur Vernunft zu bringen. Manchmal.

Hallo liebe Wolke,
kennst du das?
Mein kleines Leben war die ganze Woche krank und wir beide Zuhause. Ein krankes Kind zu haben, das ist kein Fest, das kann ich dir sagen. Schon allein der Gang zum Kinderarzt, wenn man sich in die hinterletzte Ecke des Wartezimmers verkrümelt und versucht a) nichts anzufassen b) flach zu atmen, um sich die Billionen von Bazillen irgendwie vom Leib zu halten und wenn man c) versucht, sein Kind nach zwei Stunden Wartezeit immer noch einigermaßen bei Laune zu halten, das ist sehr unterhaltsam. Nicht.
Daheim ist man dann in einer Spirale aus unglaublichem Mitleid, Rund-um-die-Uhr-Händchenhalten und der verzweifelten Suche nach Ablenkung gefangen, die wahrscheinlich zu den schönsten Seiten des Lebens einer Mama zählt. Also fast.

Dickkopf

Es ist schon manchmal nicht so einfach, mit einem vierjährigen Kind vernünftig zu reden, wenn es sich etwas in den Kopf gesetzt hat und sein großartiges Vorhaben unbedingt (unbedingt, unbedingt) durchsetzen will. („Ich bin schon groß, die Steckdose kann ich selbst reparieren, hol mir mal den Schraubenzieher, Mama!“)
Wenn aber Krankheit auf Vierjährige trifft, dann ist es quasi vorbei mit der Vernunft. Und ich sage nicht, dass Kleinkinder vernünftig sein sollen oder müssen – oder dass sie verstehen müssen, wenn man versucht, ihnen etwas vernünftig zu erklären. Aber ein bisschen weniger Theatralik wäre manchmal schon superspitzenmäßig. Ein bisschen weniger Schreien, ein bisschen weniger Türen knallen, ein bisschen weniger Ausflippen. Nur so ein kleines bisschen weniger. Na, vielleicht ist diese Phase ja bald vorbei. So mit 25. Eventuell. Hoffentlich.

Elmo. Die Verdammnis!

Jedenfalls schauten wir diese Woche „Elmo, das Musical“. Eine DVD, die ich besorgte, da Elmo mein kleines Leben wahrscheinlich auch noch bei ihrer Hochzeit begleiten wird. Da konnte ich mit der Folge „Elmo und der Yeti“ ja nichts falsch machen. Dachte ich zumindest.
Elmo, der mit Herbert dem Sherpa-Schaf den Mount Everest besteigt, unterwegs das jodelnde Yak trifft, stürzt beinahe im Schneesturm ab und bleibt im allerletzten Moment mit seinem Rucksack an einer Felsklippe hängen – und wird vom aparten Yeti-Mädchen mit roter Haarschleife gerettet. Soweit; so nicht gut.

„EEEELMOOO stürzt ab! EEEELMO stürzt ab!!!“
Markerschütterndes Weinen und Schluchzen. Auch als Elmo schon mit dem Yeti-Mädchen wohlbehalten das Schlußlied singt.
„ELMO ELMO ELMO!!!“
Alle, wirklich alle, Tröstversuche, alle Erklärungen, alle „jetzt schau doch hin, Elmo geht es gut, er wurde doch gerettet!“-Mantras – alles scheiterte. Da hätte ich den Original-Elmo mit Elsa, und was weiß ich wen, einfliegen lassen können, die eine Disneylandreife Parade vor dem Sofa veranstaltet hätten: Mein Mädchen tat so, als hätte ich sie vor einen Splatter-Streifen gesetzt. Memo an mich: Jugendschutz anschreiben und für „Elmo, das Musical“ eine FSK 18 beantragen.

Das ist Wahnsinn…

Irgendwann beruhigte sie sich wieder und schlief total erschossen ein. Wahnsinn, was so ein Monster mit Kastratenstimme anrichten kann. Und Wahnsinn, wie schwer es manchmal ist, an die Vernunft einer Vierjährigen zu appellieren.
Ich überlegte, als mein kleines Leben ihr Erholungsnickerchen hielt, was ich in diesen Situationen, die einem die letzte Nervenzelle wegblasen können, für leichter halten würde.

20 Dinge, die leichter sind als Vierjährige zur Vernunft zu bringen.

  1. Mikado bei Erdbeben spielen.
  2. Den Großeltern glaubhaft versichern, dass das Kind nicht sterben wird, wenn es kein zweites Stück Schokolade bekommt.
  3. Die Weltherrschaft übernehmen.
  4. Den Mars kolonialisieren.
  5. Eine Drei-Meter-Wohnwand von Ikea ohne Anleitung aufbauen.
  6. Im Dunkeln und/oder einhändig einen Faden einfädeln.
  7. Die gesamte Läusepopulation der Erde vernichten.
  8. Bei einer Formel 1-Live-Übertragung nicht einschlafen. (Ich so. Früher.)
  9. Die Steuererklärung in einem Zustand hochgradiger Freude erledigen.
  10. Den Amurleopard vor dem Aussterben retten.
  11. Quantenphysik
  12. Aus einer Zigarettenschachtel, einem Kaugummi und einer Büroklammer einen Computer bauen.
  13. Sich in der 40. SSW die Füße pediküren. (Ich so. Damals.)
  14. Supermann im Armdrücken schlagen.
  15. Mit 1,3 Promille den Zungenbrecher „Zwischen zwei Zwetschgenzweigen“ fehlerfrei aufsagen.
  16. Kellner beim Oktoberfest sein.
  17. 3 trockene Toastbrote in weniger als 30 Sekunden essen.
  18. Erwähnte ich schon die Läusepopulation?
  19. Ein Jahr in einer Forschungsstation in der Antarktis verbringen.
  20. Sich selbst kitzeln.

Hürden der Vernunft

Ja, manchmal kommen mir all diese Dinge leichter vor. Aber, liebe Wolke, ich glaube, da warten noch ein paar Hürden auf uns, die von ganz anderem Kaliber sein werden. Vermutlich werde ich mir eines Tages Elmo zurückwünschen.
Aber bis es soweit ist, danke ich dem adretten Yeti-Mädchen für die selbstlose Rettung des roten Monsters. In allerletzter Sekunde.

Puh!

Bis dann, meine Wolke!

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