Geburtsvorbereitungskurs

Geburtsvorbereitungskurs. (Eine einmalige Sache.)

Hallo liebe Wolke,
besuchst du eigentlich irgendwelche Kurse?
Ich glaube, für Kinder gibt es noch mehr Kurse, Förderangebote und Freizeitaktivitäten (und was weiß ich nicht noch alles) als für Erwachsene. Kommt mir zumindest manchmal so vor. Auch wenn man schwanger ist, ist die Palette der Angebote eine ziemlich große. Ich bin nicht so der Kurs-Mensch. Aber einen Geburtsvorbereitungskurs, den konnte selbst ich mir nicht entgehen lassen.

So schwierig kann’s ja nicht sein…

Vor fast genau sechs Jahren (ohgottohgott, die Zeit rast…) schlenderte ich mit meinem dicken Kugelbauch in eine Hebammenpraxis. Überall hatte ich gelesen, dass das mit der Vorbereitung auf die Geburt total wichtig ist. Das Wichtigste überhaupt. Man weiß ja auch (als Erstgebärende und damit völlig Ahnungslose) überhaupt nicht wie das so abläuft. Gut, meine Großmutter hatte ihre fünf Kinder quasi im Vorbeigehen auf die Welt gebracht, wird also nicht so schwierig sein. Dachte ich mir zumindest.

Hüpfbälle im Geburtsvorbereitungskurs

Als ich ankam, und ich kam nur noch langsam voran, denn ich war eine ziemlich gemütliche Schwangere, hatten sich ungefähr 15 werdende Mütter mit ihren Männern bereits eingefunden. Ich ergatterte den letzten Platz.
Man thronte gesellig beisammen, auf riesigen rosafarbenen Hüpfbällen oder auf Yogamatten (falls man es noch schaffte, sich mit einem überdimensionalen Bauch und fünfzig Kilo Übergewicht auf den Boden zu setzen. Ich jedenfalls nicht, denn ich war vermutlich die schwerfälligste Schwangere seit Menschengedenken.).
In der Mitte des Hüpfballkreises stand eine Kerze (oder was anderes Nettes), im Hintergrund klimperte Entspannungsmusik, Lavendelduft erfüllte den Raum und sedierte die Anwesenden.
Gestützt wurden die Hüpfbälle und Bäuche (was ja in etwa dasselbe ist) von Männerhänden, die unaufhörlich die Kugeln streichelten: Verbündete im temporären Event der Glückseligkeiten, CTGs und 3D-Ultraschalls.

Megaglücklich

Man schaute in die Runde, man tauschte verklärt und megaglücklich Augenzwinkern aus – und dann blieb der Blick auf mir haften, die (noch) ganz fröhlich auf dem Ball herumhoppelte und sich den Bauch selbst streichelte.

»Oh Gott! Sie sitzt da gaaaanz allein!«
»Die Aaaarme!«

Mitleidig schauten mich alle an und ich fragte mich erst, ob sie wohl mich meinen – und dann fiel es mir wieder ein:
»Ach ja, ich bin ja allein hier!«, und mein klitzekleines Leben trat mich zur Erinnerung in die Rippen, dass ich es eben nicht war; allein.
Halt bloß ohne Mann. War ja nicht so schlimm. Ging schon. Wurde schon. Tränen stiegen mir in den Hals.

Krabben in Knoblauchsauce

Bei der Vorstellungsrunde erzählten alle von ihrer Hausrenovierung und der Hochzeit und dem Stress, den sie gerade mit der Kinderzimmereinrichtung hatten und lachten und drückten sich Küsse überall hin.
Ich hatte Hunger und dringend Lust auf ein Malzbier und Krabben in Knoblauchsauce.
Während ich mir den Genuss ausmalte, überlegte ich, wie ich mich vorstellen sollte, was ich sagen sollte, ohne die total bedürftige und/oder bemitleidenswerte „Alleinschwangere“ zu geben.
Als ich mir gerade die Worte »Also mein Mann kann heute leider nicht dabei sein, und auch die anderen Male nicht, weil er nämlich einen ganz ganz hohen und sehr sehr wichtigen Posten bei der NASA bekleidet und deswegen natürlich gerade in den USA ist, weil er eine, für die gesamte Menschheit, supersuperwichtige Mission vorbereiten muss…nein, nein, er selbst fliegt natürlich nicht ins All…! Aber zur Einschulung ist er pünktlich wieder da!«zurechtlegte, war ich auch schon dran und stammelte ein wenig verwirrt (und sehr hungrig und Pipi musste ich auch schon wieder) meinen Namen und all diese wichtigen Details, die die anderen sowieso in drei Sekunden wieder vergessen haben würden, in die Runde.

Mut

Und dann rutschte mir aus Versehen noch raus: »Und ich bin allein.«
Die Hüpfbälle schlugen erschüttert die Hände vor den Mund.
Ich hoffte, ich hatte mit dieser Information nichts Schlimmes angerichtet; vorzeitiger Blasensprung oder Wehen oder so.
Um Gottes Willen!

»Danke, dass du so offen bist!«, sagte die Hebamme, »Dazu gehört viel Mut!«
Nö, weiß nicht. So mutig fand ich das jetzt gar nicht.
»Wie schrecklich!«, sagte die Schwangere mit dem neuen SUV.
Entschuldige, aber »schrecklich«war nur, dass ich gerade kein Malzbier und kein Klo in Reichweite hatte.
»Respekt!«, sagte der werdende Vater, der die Kinderzimmereinrichtung selbst geschreinert hatte. »Meine Oma hat nach dem Krieg vier Kinder großgezogen. Das war sicher noch schwieriger als heute. Du schaffst das schon!«
Ja. Klar. Hauptsache, kein Krieg mehr.

Tapfer

Und dann wandten sich alle wieder ihren eigenen Problemen zu und versuchten tapfer den genauen Geburtsbeschreibungen zuzuhören. Damals dachte ich auch, dass das alles sicher gar nicht so anstrengend (und »ach wie schrecklich«) wird. Quasi ein Klacks. Na, man darf sich ja auch mal irren.

Meinem kleinen Leben das Leben geschenkt zu haben, ist das Allergrößte, Allerschönste und Allerbeste, das mir je passiert ist. Ich lerne gerade, auch wieder für mich selbst (zumindest ein bisschen) da zu sein. Und dann, glaube ich, wird alles eines Tages doch noch ein Klacks und ich werde stolz sein. Auch wenn ich kein Held bin. Den Kurs besuchte ich übrigens genau ein Mal. Hat trotzdem geklappt, mit der Geburt, irgendwie. 😉

Bis bald, liebe Wolke!


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