Mama ist unsicher

„Gestatten? Frau Susanne Unsicher-Bohne.“ (Warum Mama andauernd zweifelt.)

Hallo liebe Wolke,
bist du dir immer sicher?
Ich: Nein.
Ich lache heute noch über den Brustton der Überzeugung, mit dem ich einst die Weltgeschichte beschallt habe, wie ich das mit der Kindererziehung – und überhaupt mit meinem zukünftigen Leben – machen werde. Konnte nicht sooo schwierig werden, schließlich hatte ich mal einen Hund. Ist ja sowas ähnliches wie ein Kind.
Aber heute, heute darf man mich gern, ab und zu, Frau Susanne Unsicher nennen. Ich bin geläutert, was meinen Brustton angeht.

Jacky, Scotty, Rocky

Einige meiner kinderlosen Bekannten, die schwören, dass es mit Jacky oder Scotty oder Rocky genauso ist wie mit einem Kind. Also genauso anstrengend, kompliziert, zeitaufwendig, kosten- und spielintensiv etc. Und vor allem dass, weil sie ja einen Hund haben, sie eigentlich die Erziehungsexperten schlechthin sind.
Ja, ich weiß, dass einem ein Hund sehr ans Herz wachsen kann, dass man sich um ihn sorgt und dass er ein Teil der Familie werden kann. Als eine Art treuer Freund und Begleiter.
Been there, done it.

Hunde vs. Kinder

Aber, ganz ehrlich, ein Hund fragt einen nicht tausendmal am Tag „Warum, Mama?“, er bekommt bestenfalls keine Trotzanfälle – und hat man in der Hundeerziehung versagt, beheimatet man vielleicht einen Dauerkläffer, der eventuell auch mal dem Postboten am Hosenbein hängt, aber man muss sich nicht fragen, ob und wie er, der Hund, es zukünftig allein in der großen weiten Welt schaffen soll, auf eigenen Beinen zu (be-)stehen. Ob er ein guter Hund werden wird, der Liebe geben und annehmen kann, der selbstbewusst die Bühne des Lebens betritt und am besten keinen bleibenden Schaden von Mamas oder Papas Ansichten davongetragen hat. Oder wie man ihm beibringen soll, sich die Socken alleine anzuziehen. Von höherer Algebra mal ganz zu schweigen. Mit Leckerchen wird man da wahrscheinlich nicht weit kommen. Wahrscheinlich.
Und er wird voraussichtlich auch nicht mit 16 durch die Clubs ziehen wollen – und man selbst wird dann wieder nicht schlafen können, wie schon die ganzen 15 Jahre zuvor nicht.
Will meinen: Nein, so gern ich Hunde im Allgemeinen habe, aber vergleichbar ist es nicht; das Hundehalten und das Kinderhaben.

Mütze: unsicher?

Es fängt doch schon damit an, dass man mit dieser Mützenfrage total überfordert ist, zumindest ich war es. Muss das Baby/Kleinkind jetzt eine Mütze tragen oder ist es dafür viel zu warm – oder doch nicht?
Muss ich stillen oder darf ich auch mit der Flasche füttern oder ist das beides Mist und wir gehen direkt zum Schnitzel über – oder vielleicht doch besser vegan?
Welches Spielzeug kann ich kaufen, ohne die Wohnung mit Weichmachern zu verseuchen, die ich nur noch mit Atemgerät und Strahlenschutzanzug betreten darf?
Stoffwindeln vs. Wegwerfwindeln?
Kita vs. Tagesmutter vs. MamarundumdieUhrBetreuung?
Erziehungsstil vs. Erziehungsstil.
Versus. Versus.
Wann muss mein Kind was können, damit es noch als „normal“ gilt und keine Entwicklungsverzögerung, -störung, -abnormalität, -was auch immer, im heiligen U-Heft eingetragen wird und Weihnachten garantiert ausfällt, sobald nicht alle Stempelchen an der richtigen Stelle platziert sind?

Ich sage dir was, liebe Wolke, das alles macht einen verdammt unsicher.

Das Kind im Fokus

Es kann einen unsicher machen, wenn man nicht irgendwann aufhört, sich an diesen Grundsatzdiskussionen zu beteiligen. Ich habe mir vieles angehört, ich habe mir auch zu Vielem Meinungen aufzwängen lassen, die mir im Grunde meines kleinen Herzens gar nicht so gut gefallen haben. So ist das aber immer, wenn man keine Ahnung und keine Erfahrung hat – und unter dem riesigen Druck (und unter der gesellschaftlichen Beobachtung) steht, bloß keinen, nicht den allergeringsten, Fehler machen zu dürfen.
Wie ich seinerzeit. Da bin ich auch beim kleinsten Pups, dem meiner Tochter quer im Bäuchlein steckte, in die kinderärztliche Notfallambulanz gefahren, weil ich dachte, jetzt ist alles zu spät.
Independence Day. Wir werden alle sterben. Ich auch.
Weil man sein Kind liebt. Mehr als sich selbst.

Unglaublich große Liebe

Und genau diese unglaublich große Liebe, die ich für die allergrößte und schönste und mächtigste halte, macht es, dass man über die wichtigen Fragen (die, die nicht die Worte „Mütze“ oder „Stoffwindeln“ enthalten) lieber zwei- bis fünfundzwanzigmal nachdenkt, ob es richtig oder falsch ist, was man für sein Kind entscheidet. Das hat auch etwas mit Selbstreflektion zu tun. Und mit Weitsicht.
Man darf allerdings den Namenszusatz „Unsicher“ gern streichen, wenn man irgendwann in seinem Mamasein angekommen ist. Wenn man fühlt, was richtig ist. Und was eben auch nicht. Dafür muss man manchmal den Allerwertesten ein bisschen zusammenkneifen und die anderen, die, die sowieso immer alles am besten wissen (ja, auch manche der kinderlosen Hundebesitzer, die in Kindererziehung den Master gemacht haben), einfach reden lassen. Das entspannt ungemein. Habe ich festgestellt.

Und sonst so?

Unsicher bin ich allerdings trotzdem, ob es gut war, die charmante Abendesseneinladung (aka „Date“) neulich auszuschlagen. Irgendwann, liebe Wolke, hat man ein Alter erreicht, in dem sich Enttäuschungen so richtig eingebrannt haben und man nicht noch mal in ein großes Matschloch fallen möchte. Schon gar nicht mit meinem kleinen Leben Madita an der Hand.
(Aber diese Art der Unsicherheit hat ja nur am Rande mit meinem Mama-Dasein zu tun.) Was das angeht, werde ich wahrscheinlich dauerhaft „Susanne Unsicher-Bohne“ heißen. Ich leb damit, ist schon okay. 😉

Hab einen sicheren Flug, meine Wolke!


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