Das "So gut hätte ich es auch gerne mal!"-Syndrom (Oder: Ich bin alleinerziehender.)

I bims Wackelzahnpubertät vong Phase her.

Hallo liebe Wolke,
hast du was gelernt in den letzten Jahren?
Ja, ganz recht: Es ist alles nur eine Phase.
Ehrlich gesagt, ich kann es nicht mehr hören. Irgendwas ist ja immer, man kann das alles sehr schön in diversen schlauen Ratgebern nachlesen – ich frage mich, in welcher Phase mein Kind mit 30 sein wird und welche Tipps ich mir zur „Generation z“ dann anhören darf. Wenn ich denn will und falls ich dann nicht endlich so gelassen sein werde, dass mir jedwede Ratschläge wo vorbeigehen. Aber, da wir noch nicht 2043 (ohgottohgottohgott) schreiben, bin ich ganz beseelt von der Phase, die hier gerade, passend zur vorweihnachtlichen Zeit der Harmonie und des Friedens, Einzug hält: Die Wackelzahnpubertät. Yeah.

Was ist denn jetzt schon wieder?

Zugegeben, es ist schon schön, dass das Elend einen Namen hat, den mir Kinder- und Zahnarzt verraten haben. Manchmal fragt man sich: „Was ist denn jetzt schon wieder los?“, wenn man sein kleines Leben plötzlich nicht mehr wiedererkennt, wenn man feststellt: Irgendetwas ist doch hier im Busch. Und da man nicht wie die Müllerstochter in Rumpelstilzchen auf die frohe Kunde des Boten warten sollte (wäre vergeblich), setzt sich die moderne Mutter von heute hinter einen Stapel von Ratgeberliteratur – oder fragt direkt den Fachmann. Wenn man zumindest weiß, mit wem man es zu tun hat, welche sympathische Entwicklungsstufe einen nun wieder erwartet, dann kann man seinem Feind wenigstens ebenbürtig in die Augen schauen. Wobei „Feind“ natürlich übertrieben ist. Denn wir wissen ja alle, dass man seinem Kind immer und jederzeit ein Höchtsmaß an Empathie und Verständnis entgegenzubringen hat. Weil es ja nicht nur für Mama äußerst verwirrend und anstrengend ist, wenn die Wände wieder wackeln und man hin und wieder am liebsten seinen Koffer packen möchte. Sondern am meisten ist es anstrengend und verwirrend für das Kind und man lässt nichts unversucht, um seine Arme noch weiter auszustrecken, um sein kleines Leben wohlbehalten durchs Leben zu tragen. Ja, ich versuche das mit der unerschöpflichen Geduld und dem 105% Einfühlungsvermögen. Versuche ich wirklich. Klappt aber nicht immer.

„Mama? Mein Zahn wackelt!“

Was ich anfangs für einen schlechten Scherz hielt, denn es war auf dem Kindergartenflurfunk durchgesickert, dass es für ausgefallene Milchzähne Geschenke von der Zahnfee gibt, bewahrheitete sich trotz meiner Zweifel: Schneidezahn wackelt. Da ich es mit viereinhalb noch ein wenig früh für dieses Ereignis fand, machten wir uns auf zum Zahnarzt (siehe oben), und da dieser fünffacher Vater ist, eröffnete er mir mit einem Grinsen, dass der Wackelzahn wirklich einer ist (und zwar ein ganz normaler) und auf was ich mich, so rein mental, schon mal einstellen könnte.
Und als wäre es einer dieser blöden Flüche gewesen, den irgendeine böse Fee nur laut aussprechen hätte müssen, damit er eintritt, fing das Spektakel zehn Minuten später an. Vielleicht ist es aber auch so: Wenn man was weiß, dann achtet man drauf. Wenn man gesagt bekommt, dass sich das Kind ab sofort in der Vorschulpubertät befindet und es sein kann, dass man mit ein paar Stolpersteinchen zu rechnen hat, dann sieht man eventuell im kleinsten Symptom den Ausbruch bestätigt.

Was war ich froh!

Was bin ich froh gewesen, als die Trotzphase sich mit einem Winken in den Zug gesetzt hatte, um uns nicht weiter zu beehren. Zumindest nicht mehr so häufig. Jetzt war das Thema also durch und dafür haben wir nun die mittlere Schwester des Trotz hier sitzen. Ungebetene Gäste sind so toll. Vor allem, weil man in ein paar Jahren mit weiterem Besuch rechnen kann. Dann hätten wir die Familie wenigstens komplett, was das angeht.
Das Schauspiel aus „geh weg, lass mich allein!“ vs. „bleib hier, lass mich bloß nicht allein!“, gepaart mit theatralischem Türenknallen und emotionalen Ausbrüchen kann noch bis zum 7. Jahr anhalten. Sagte man mir. Prima. Nur noch ca. 890 Mal schlafen.

Aber genug mit Mimimi

Und warum gibt es sie, die Wackelzahnpubertät? Die 6-Jahres-Krise? Oder wie auch immer man sie nennen mag?
Weil sich Kinder verändern, auch wenn wir das meistens gar nicht so mitbekommen. Vorerst. Die Zeit, die rennt nämlich und die Phasen, die gehen schleichend ineinander über. Auch dann, wenn man Phasen doof findet. So wie ich. Und, um an meine Ur-Großtante Auguste zu erinnern, die vor ungefähr hundert Jahren lebte: Die hätte sich bei dem ganzen wissenschaftlichen Tamtam mal wieder in den Baumwollschlüpfer gemacht. Vor lachen.
Aber, wir leben jetzt, wir leben mit Erkenntnissen über die kindliche Entwicklung, die mir helfen können, mein kleines Leben, das gerade ein bisschen an Teenager erinnert, besser zu verstehen.

Die Last mit der Veränderung

Bald steht die Schule vor der Tür. Oder besser: Bald stehen wir vor der Schultür. Und je näher das rückt, je mehr man (und die Gesellschaft) von Kindern erwartet, jetzt doch schon ziemlich „groß“ und ein bisschen vernünftiger zu sein, desto größer wird der Druck dieser ganzen Veränderungen, die das Leben zwangsläufig mit sich bringt. Und Veränderung bedeutet manchmal nicht nur Vorfreude auf das, was kommen mag, sondern auch Stress und Verunsicherung. Ist doch irgendwie klar, dass da nicht nur die Zähne anfangen zu wackeln.
Nur man selbst steht als Mutter (Vater etc.) öfter mal wieder relativ ohnmächtig da wie das Reh im Scheinwerferlicht des herandonnernden LKW und fragt sich: Was jetzt?

Was jetzt?

Gute Frage. Hatte ich bei den Trotzanfällen irgendwann eine ungefähre Ahnung, was zu tun ist, so gestaltet sich das Unterfangen „Empathie, Rücksichtnahme und Respekt“ meiner Madita gegenüber zwar nicht als schwieriger, aber wir haben einen neuen Level erreicht. Ohne Bonusspiel.

Dinge, die ich tue. Für mich. Und für mein Kind. In der Wackelzahnpubertät.

Ganz wichtig finde ich es, nach wie vor, die Dramatik, die sich auf der Bühne meines kleinen Lebens abspielt, nicht persönlich zu nehmen. Ich bin nicht schuld, meine Tochter ist nicht schuld, sie kann einfach nicht anders. Also nehme ich es an, wie man übrigens viele Dinge im Leben mal annehmen sollte, ohne in Panik zu verfallen. Ohne (innere und äußere) Vorwürfe lebt es sich leichter. Und ist auch besser für den Blutdruck. Ich muss – und kann – mein Kind in diesen Situationen vielleicht nicht immer beruhigen, ich muss nur eins: Für sie da sein. Wenn sie mich braucht. Und wenn sie mich gerade nicht braucht („geh weg!“), dann ist das auch in Ordnung

Erklärbär

Man kennt diese Eltern, die ihren Kindern alles im Übermaß erklären und einen Monolog mit Überzeugungsargumenten führen, bei dem ich mir selbst die Ohren zuhalten möchte. Auch ich versuche Dinge zu erklären, warum dies geht und das andere nicht. Manchmal aber, da prallen alle Argumente einfach so am Wackelzahnteenager ab. Peng. Vielleicht sollte man dann einfach besser zuhören, statt den Erklärbär spielen zu wollen. Zuhören, beobachten. Wer kennt sein Kind nicht besser als die Eltern? Und ich glaube, in vielen Situationen kann man auch ohne viele Worte erkennen, was gerade angesagt ist.

Let it go

Wie oben schon angedeutet: Ich werde auch mal wütend, ich bin auch mal genervt von der neuerlichen Situation, die manchmal wirklich an meinen Nerven zehrt und ich mir lieber einen Tee und ein gutes Buch schnappen würde, um zu entspannen, als mich mit der Vorschul-Krise zu beschäftigen. Ich bin kein Übermensch und ich bin auch nicht Mutter Teresa. (Thank God!) Die Bedürfnisse seines Kindes UND die eigenen Bedürfnisse zu kennen, das ist nicht allzu schlecht. Wie schon beim Nicht-Schreien, so kann ich mich auch mal aus der Situation herausnehmen. Für zwei Minuten. Oder für fünf.

Elsa weiß es.

Liebe. Ich weiß nicht, wie es dir geht, liebe Wolke, aber mit der Liebe, mit der schafft man so ziemlich alles. Wenn man kurz die Augen schließt und ganz genau spürt, welche unglaubliche Liebe man für sein Kind empfindet, dann fühlt man nicht nur die Empathie und die Geduld, die man manchmal zu verlieren scheint, nein: Von mir aus könnten sich in diesen Momenten auch noch mehr unliebsame Familienmitglieder an unsere Kaffeetafel setzen, die den Nachnamen „Trotz-Wut von Wackelzahn“ tragen. Pf. Mir doch egal. Wir schmeißen sie schon irgendwann wieder raus.
Wäre ja gelacht!
Und mal sehen, was uns im Jahr 2043 erwartet. Aber bis dahin ist ja, glücklicherweise, noch etwas Zeit.

Einen gelassenen Flug für dich, meine Wolke!


 

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