Mein Kind hört immer auf mich

Mein Kind hört immer auf mich!

Hallo liebe Wolke,
ist es nicht schön, wenn jemand auf einen hört?
Ich glaube, das ist bestimmt ganz wunderbar. So richtig beurteilen kann ich es nicht, denn genau genommen ist mein kleines Leben eher so der Freigeist. Sie wäre gern der Anführer in den häuslichen Gefilden und macht grundsätzlich gerne das, was in der Natur des Freigeists liegt: Nicht unbedingt (auf andere) hören. Solch eine Art von Freigeist mag man „unerzogenes Blag“ nennen – und auf die dazugehörige Mama mit einem lang ausgestreckten Zeigefinger zeigen – oder man stellt irgendwann fest, dass es solche und solche Kinder gibt. Meine Tochter gehört eher zu den solchen. Statt zu den anderen. Und ich habe noch etwas anderes festgestellt.

Mini-me

„Boah, kann der nicht mal schneller fahren?“, raunzt es vom Rücksitz, mit meiner Intonation, bloß ein paar Oktaven höher.
„Nein, ist das aber heute wieder ein Mistwetter! Vergiss bloß deinen Regenschirm nicht!“, sagt jemand und hört sich dabei sehr ähnlich an wie ich.
„Immer dieser Hundedreck auf dem Bürgersteig. Pfui Teufel! Tritt da bloß nicht rein!„, schimpft einer neben mir beim Spazierengehen.

Das kann schon manchmal lustig werden, insbesondere wenn jemand anderes in der Nähe ist. Da möchte man sich die Hände vor die Augen schlagen und sich ein großes Erdloch wünschen. Vor allem, weil man sich über sich selbst wundert, was man hin und wieder (trotz größter Contenance) von sich lässt. Und in welchem Tonfall. So ein kleiner Mini-me ist das reinste Diktiergerät und kleine Bauchrednerpuppe. Kinder studieren einen ja ziemlich genau. Das fällt mir nicht nur bei diesen Imitations-Showeinlagen auf. Und ich wünschte, meine Tochter würde das Nachmachen auch in anderen Situationen anwenden.
Dann wäre nämlich einiges einfacher.

Mein Kind hört immer auf mich!

So ungefähr: Sie mag alles, was ich mag und mag genau das nicht, was ich auch nicht mag. Sie ist mit allem einverstanden, was ich sage, und bewundert mich für meine Allwissenheit, von der sie noch ein bisschen was lernen könnte.
Nicht.

Stattdessen sage ich an manchen Tagen zehnmal ihren Namen bevor sie mich mal zur Kenntnis nimmt, die königliche Hoheit, ab und zu muss ich (gefühlt) dreitausendmal meine Bitte (Aufforderung!) wiederholen bis sie endlich ihre Schuhe anzieht. Ja, das ist wohl normal. Sie möchte mich ja nicht extra ärgern, zumindest nicht immer, aber das temporäre Nichthören siedelt sich mal wieder in der Kategorie „Entwicklungsphase“ an, durch die sich alle Beteiligten durchwurschteln müssen. Die einen mehr, die anderen weniger.

Ach, was wäre es schön…

Ach, was wäre es schön, wenn es ab und zu so wäre, dass mein kleines Leben immer und zu jeder Tages- und Nachtzeit der Engel auf Erden wäre. Ich sage jetzt nicht, dass sie nie und niemals auf mich hört, denn dann wäre ich mit meiner Erziehung komplett gescheitert und man dürfte gern den großen Zeigefinger ausfahren, aber meine Vierjährige macht gern das, was sie machen möchte. Wenn ich sie denn immer ließe. Sie ist schließlich schon sehr groß. Meint sie jedenfalls.

Ich kann das ja verstehen. Nur meine Nerven manchmal nicht so.

Was man da macht?

Meine 5 ultimativen Tipps lauten:
1. Ruhe bewahren
2. Klare Ansagen
3. Ruhe bewahren
4. Konsequent bleiben
5. Ruhe bewahren

Tolle Tipps, oder?
Ehrlich gesagt, lese und höre ich überall dasselbe. Und es kommt mir bei den Ohren raus, weil man es doch letztlich eh so macht, wie man es im Gefühl hat – und wie es eben zu meinem Kind und mir passt.
Oh ja, ich bin nicht die strengste Mutter und ich gehe manchmal den Weg des geringsten Widerstands, weil mir ab und zu die Kraft fehlt, weil ich hin und wieder von mir und den tausendsten Wiederholungen die Nase voll habe und weil ich im Gefühl habe, dass ich mit Verständnis mehr erreichen kann, als wenn ich Fräulein Rottenmeier spiele. Klar brauchen Kinder klare Grenzen, eine Leitplanke, an der sie sich stoßen und orientieren können, um den Weg zu finden. Aber davon spreche ich gar nicht.
Auch wenn ein Freigeist ziemlich anstrengend werden kann, so werde ich meine Tochter eines Tages mit ruhigerem Gewissen in eine ziemlich harte Welt entlassen können, als wenn sie duckmäuserisch ihrer Wege ziehen wird. So wie ich es immer getan habe. Weit kommt man damit jedenfalls nicht, ich spreche aus Erfahrung.

Diese Lösung?

Vielleicht, wenn ich schon imitiert werde, wenn es ums Schimpfen und die Schimpfwörter und andere nette Dinge geht, wäre dies ja eine Lösung, dass der Freigeist alles machen wird, was ich mir so vorstelle.

Ich könnte doch mal anmerken: „Mensch, verdammte Kaka noch mal, schmeckt der Blumenkohl heute wieder lecker!“
Oder: „Poah, ist die Zahnbürste heute eine lahme Schnecke, kann die nicht mal schneller putzen? Und hinten und oben? Der werde ich es aber mal zeigen!“
Und: „Pah! Das Einschlafen kann heute was erleben! Ich bin viel schneller im Land der Träume und gewinne sowieso! Nä nä nä nä nä!!!“

Naja gut. Mit dieser bahnbrechenden Theorie werde ich wahrscheinlich weder einen Blumentopf, noch einen Erziehungsratgeberpreis gewinnen.

Bleibt alles beim Alten

Weißt du was, liebe Wolke? Ich mache mich nicht verrückt. Und ich frage mich häufig, was macht man sich überhaupt für einen Stress. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass man sich öfter (als einem lieb ist) echten Härtetests ausgesetzt fühlt, wenn man so ein kleines, zauberhaftes Wesen sein eigen nennt. Ab und zu könnte man sich eventuell vorstellen, dass es wahrscheinlich einfacher gewesen wäre, sich eine Horde Affen zuzulegen. Aber was meinst du, an was ich mich in 15, 20 Jahren erinnern werde? Sicher nicht daran, dass ich mich innerlich aufgeregt habe, wenn der Broccoli verschmäht wurde oder jemand doch lieber 5 bis 20 Minuten länger auf dem Spielplatz bleiben wollte, obwohl ich mir mein Sofa sehnlichst herbeiwünschte. Erinnern werde ich mich vermutlich auch nicht an die endlosen Minuten im Flur, wenn ich bereits in dicker Winterjacke zu schwitzen anfing, wenn sich Eure Majestät dazu entschlossen hatte, doch die anderen Schuhe anziehen zu wollen, nachdem sie bereits (gefühlte) drei Stunden für zwei Schleifen benötigt hatte.
Nein. Ich werde mich an eine kleine, immer warme, noch ein klitzekleines bisschen babyspeckige Hand eines Freigeists erinnern, die mich brauchte.
Mehr muss ich heute gar nicht wissen. 

Hab einen entspannten Sonntag, meine Wolke!


 

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