Von dem Tag als ich beim Schönheitschirurg saß.

Hallo liebe Wolke,
was hältst du vom Älterwerden?
Schönheit kennt ja bekanntlich kein Alter. (Moment, meine Gurkenscheibenmaske ist bei dem Gedanken verrutscht.) Irgendwann kam letztes Jahr der Punkt – und 2017 war ja so ein Jahr, in dem es viele Punkte in meinem Leben gab (aber ich drücke jetzt nicht auf die Tränendrüse, denn immer nur langatmig zu schreiben, wie schrecklich und hart alles war, das ist auf Dauer langweilig, das macht’s weder besser noch interessanter): Irgendwann also kam der Punkt, an dem ich morgens in den Spiegel sah und überlegte, nur noch mit Papiertüte über dem Kopf das Haus zu verlassen. Alter! Wo kamen denn plötzlich diese Falten her und die grauen Haare und überhaupt alles, was da, bittesehr, wieder verschwinden möge?! Da ich von ausreichend Schlaf nur träumen kann und Wundercremes bloß so heißen und keine vollbringen, setzte ich mich vor Google und recherchierte. Und fand: einen Schönheitschirurg in der Nähe.

Hoch entschlossen.

Ich hatte allerlei über Botox und Hyaluronsäure usw. gelesen, und dass das heutzutage ja ganz normal sei, der alterslosen Schönheit ein bisschen nachzuhelfen. Warum denn nicht, dachte ich, ich hab’s mir verdient. Das mit dem Verdienen denkt man sich ja gerne mal, um sich ein bisschen vor sich selbst zu rechtfertigen. Und ich, die ich immer dafür plädiere, dass jeder gut ist, wie er eben ist, hatte mir selbst den kostspieligen Floh ins Ohr gesetzt, dass es bestimmt super würde – für mich und mein Seelenheil – wenn ich ein bisschen frischer aussähe. Wenn ich es schon nicht bin. Fake it.

Und weil der Floh in meinem Ohr so aufgeregt herumhüpfte, vereinbarte ich einen Termin in dieser Praxis.

Guten Tag.

Also saß ich eines Tages in einer hochmodernen, sehr stylischen, Pimp my Selbstwert-Werkstatt, und blätterte durch die Informationshochglanzbroschüren, während ich im Wartezimmer, ein bisschen aufgeregt, auf das unverbindliche Gespräch wartete. Was man heutzutage nicht alles machen lassen kann! Wenn es denn der Geldbeutel und die eigene Überzeugung erlauben. Und je mehr ich blätterte und las, desto mehr fiel mir auf, dass man an mir doch noch an einigen anderen Stellen meines Körpers etwas Optimierungsarbeit leisten könnte. Mit meiner Nase, zum Beispiel, stehe ich schon seit immer auf Kriegsfuß, meine Brüste haben wahrscheinlich auch bereits bessere Zeiten gesehen, und sind eigentlich meine Oberschenkel zu dick? Bisschen absaugen? Mh.
Ich las gerade sehr interessiert über Intimkorrekturen und war drauf und dran, auf der Toilette den Zustand meiner Labien auch noch zu überprüfen, weil – hey, ich habe ein Kind geboren… aber dann wurde ich hereingebeten und konnte nicht weiter darüber sinnieren.

Herr Schönheitschirurg

Das war ja alles ganz nett. Also Herr Doktor war ganz nett. Der Spiegel, in den ich schauen und mir meine Problemchen vom Herzchen reden sollte, der war nicht ganz so nett. Denn ich wünschte mir sofort, aber sofort, die Papiertüte wieder her.
Herr Schönheitschirurg, der beruhigte mich väterlich und meinte, eine ordentliche Portion Hyaluronsäure hier ans Jochbein und ein bisschen, nicht ganz so viel, Botox in die Stirn, und naja, ein bisschen die Lippen aufpolstern wäre in meinem Fall doch ganz ratsam, und schon – Zauberspritze geschwungen – wäre meine Müdigkeit mit einem „Witsch!“ wegradiert. Und dann schaute mich Herr Doktor an, als hätte ich noch was auf dem Herzen. Hatte ich aber nicht. Die Kosten könne man auch in Raten zahlen. Überlegen Sie es sich, vielen Dank, auf Wiedersehen.

So.

Da stand ich wieder auf der Straße, in meinem Kopf tanzten die Broschüren mit den sechzehnjährigen Instagram-Beautys drauf und das Wissen, dass ich keine 20 mehr bin – und, dass es wohl nicht mehr ausreichen würde, mal acht Stunden zu schlafen, um das Gesicht zu entknittern. Da haben wir den Salat. Oder?

Lange, lange dachte ich wirklich darüber nach und die Aussicht auf eine Susanne, die aussieht, als käme sie gerade aus dem Wellnessurlaub in der Dominikanischen Republik (allein!), und die sich nicht all die Sorgen aus 2017 an den Augen (Stirn, Mundwinkel) ablesen lassen kann, diese Aussicht war wirklich verlockend.

Urteil

Ich verurteile nichts und niemanden, der sich dafür oder dagegen entscheidet. Denn ich war ja kurz davor und es klingt so herrlich einfach (auch wenn mir der eigentliche Aufklärungsbogen mit sämtlichen Nebenwirkungen schon ein bisschen Angst gemacht hat). Bloß für mich (und nur für mich), ist das ein bisschen so, als wenn man auswandern möchte, um an einem anderen Ort keine alten Probleme mehr zu haben. Seinen Kopf und sich selbst nimmt man allerdings immer mit. Das weiß ich aus eigener Erfahrung. Weise, alte Susanne, ich.

Ja.

Ja, ich bin müde und manchmal sehr erschöpft. Dass das seine Spuren hinterlässt, das leuchtete mir irgendwann ein. Und ja, siehe oben, ich bin nicht mehr Zwanzig, sondern Ende Dreißig. Und wofür (oder für wen) würde ich das tun? Für mich – oder doch eher für andere, für die Gesellschaft, dafür, dass ich eventuell doch noch mal jemanden abbekomme, ohne dafür ins Altersheim zum Schwoof fahren zu müssen?

Und jetzt ist wohl wieder der Spruch von oben dran, meine Wolke: Jeder ist so, wie er ist. Wenn mich jemand nicht anschauen mag, weil man mich im Profil mit Graf Zahl von der Sesamstraße verwechseln könnte, weil meine Zornesfalte nunmal ein schlecht gelaunter Zeitgenosse ist, weil ich eben nicht perfekt bin und der Zahn der Zeit an mir nagt: So what? Hauptsache gesund, sagte meine Oma immer, und das Herz am rechten Fleck.

Wichtig ist wohl wirklich nur, dass man sich selbst mag. Und für die Tage, an denen mir das nicht so gelingt, lege ich mir einfach meine Papiertüte parat. Mal sehen, was ich in ein paar Jahren darüber denke, denn man sollte ja niemals nie sagen. Nur meine Haare, die bleiben garantiert nicht Grau. Nie und nimmer. (Ups.)

Du aber, liebe Wolke, du bist immer hübsch – und lass dir bitte nie was anderes sagen!

Bis bald.


 

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